Die meisten Menschen erleben die aufregendste Nacht ihres Lebens mit dem jeweiligen Partner, zumindest ist meist aber eine andere Person daran beteiligt. 😉 Ich hingegen hatte – die mit Abstand (!) – aufregendste Nacht – alleine – mit einer Herde Büffeln und einem Rudel Hyänen, in einem Zelt inmitten der Serengeti in Ostafrika.
Es war bei meiner ersten Reise durch Tansania – inzwischen habe ich dieses unbeschreiblich schöne Land, sowohl mit Freunden als auch ganz alleine, von oben bis unten und von links nach rechts komplett durchreist, fast jeden einzelnen Winkel habe ich gesehen und meine Sehnsucht wurde noch immer nicht gestillt, eher hat sie sich noch verstärkt: Ich glaube, wer einmal die rote afrikanische Erde gerochen und sie am Abend – unter der Dusche – von seinem Körper und aus seinem Haar gewaschen hat, ist für alle Zeiten mit dem Virus AFRIKA infiziert: Heilung völlig ausgeschlossen – zumindest was mich betrifft.
Dieses Land übt derart eine Faszination auf mich aus, dass ich sie nicht gebührend erklären oder beschreiben kann. Ich glaube sogar es gibt gar nicht genügend Worte in unserem Vokabular, welche ausdrücken könnten, wie man sich fühlt: Bereits in dem Moment in dem man den ersten Schritt aus dem Flugzeug tätigt, den ersten Atemzug der afrikanischen Luft nimmt und tansanischen Boden betritt. Schon bei meinem ersten Besuch in Tansania fühlte es sich an: als würde ich nach Hause kommen. ♥️
Ich liebe nicht nur diese – auf unserem Planeten einmalig – rote schwere und trockene afrikanische Erde und deren unverwechselbaren Geruch, auch die außergewöhnlich schöne Pflanzenwelt dieses Landes hat es mir sehr angetan, mit seiner immensen Vielfalt: Tansania gleicht an keinem Quadratzentimeter dem Anderen, mal ist die Landschaft bergig und geprägt von eben dieser roten Erde, mal ist sie dicht bewachsen und schimmert in sämtlichen Grüntönen, welche die Farbskala überhaupt hervorbringen kann und mutet an, man befände sich mitten im Regenwald (vor allem oben am Ngorongoro oder in den Usambarabergen). An anderen Stellen ist die Landschaft von zarten grünen Pflänzchen und Seen geprägt und an wieder anderen von trockenen Gräsern und endloser Weite – nicht ohne Grund hat man diesem Abschnitt den Namen „Serengeti“ gegebenen, bedeutet es doch: Weites Land.
Tansania besticht aber vor allem auch durch sein enormes Tieraufkommen und die außerordentlich hohe Artenvielfalt – kein anderes Land verfügt über diese Vielfalt an Tieren und deren – zahlenmäßig – immer noch sehr hohem Aufkommen. Ganz zu schweigen von den Menschen, die Tansania als ihr Zuhause bezeichnen dürfen: Selten habe ich eine vergleichbare Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft oder einen Zusammenhalt erlebt, wie in sämtlichen Städten und Regionen von Tansania. Trotz ihrer Armut – welche die Menschen dort nicht als Benachteiligung empfinden – verhalten sie sich stets großzügig und sind – ohne zu zögern – bereit ihr letztes Hemd für andere zu geben. Ein sehr beeindruckendes Volk!
Die aufregendste Nacht meines Lebens
Was war passiert: wir sitzen nachdem Abendessen – völlig platt von den vielen Eindrücken des Tages – um das Lagerfeuer inmitten der Serengeti. Wir singen einheimische Lieder (inzwischen kann ich einiges in Swahili), trinken Wein und rauchen Gras (schließlich wächst dieses Zeug in diesem Land 😉). Die Stimmung ist ausgelassen und sehr fröhlich, um unser Zeltlager herum schleichen Hyänen – das wissen wir, weil ich einen der aufpassenden Massai bei einem seiner Rundgänge um unser Lager begleiten durfte (ich musste ihn regelrecht nötigen, dass er mich mitnimmt 😉🙄).
Er hat mir gezeigt, wie man die gefährlichen Tiere der Nacht mithilfe einer auf den Punkt strahlenden Taschenlampe aufspürt. (Das klappt im übrigen nicht bei allen Tieren, dies hat etwas mit dem Tapetum, den Stäbchen und den Zäpfchen im jeweiligen Auge zu tun und ist wiederum abhängig von der jeweiligen Tierart – aber das würde jetzt zu weit führen). In der Ferne brüllt ein Löwe, die Grillen zirpen um die Wette und die Zebras husten, eine atemberaubende Geräuschkulisse, genau wie in „Jenseits von Afrika“ – ein Film mit Robert Redford und Meryl Streep aus den achtzigern. (Ich liebe ihn – Robert und den Film😉)
Wir sind nur noch der sogenannte „harte Kern“ obwohl es eigentlich noch gar nicht so spät ist, sind die meisten Mitreisenden aus unserem Jeep bereits paarweise in ihren Zelten verschwunden. Ich bin die einzig noch verbleibende Alleinreisende sowie Alleinschlafende und als sich das letzte Paar verabschiedet, tue ich es ihnen gleich und bitte unseren Guide mich zu meinem Zelt zu bringen ( in der Savanne darf man ohne Begleitung keinen Meter alleine durch die Nacht laufen, es könnten sehr schnell die letzten Meter überhaupt sein 🙄) erst als ich mich vom Stuhl erhebe bemerke ich, wie schwammig sich meine Knie anfühlen. Ich fühle mich als wäre ich stockbetrunken, war ich wahrscheinlich auch 🤣😝 ich hätte mich wohl besser für das Gras ODER (!) den Wein (anstatt UND 😛) entscheiden sollen…zu spät! 🤷🏼♀️
Mit jedem Schritt den wir in Richtung Zelt gehen wird mir übler, mein Magen rebelliert und stülpt sich mir quasi innerlich regelrecht entgegen und der Weg bis zu meinem Zelteingang kommt mir Kilometerlang vor, dabei sind es allerhöchstens 60 Meter von der Feuerstelle bis zu meinem Zelt, ganz am Anfang der Zeltreihe (I`m always the number one 😉).
Endlich angekommen, eile ich sofort in die Toilette und höre nebenbei einen Reisverschluss der geschlossen wird. Ich nehme also an, mein Zelt ist ordnungsgemäß verschlossen – schließlich sieht man nichts im Dunkeln 🙄🤷🏼♀️.
Nachdem ich meinen Magen restlos entleert und meinen Zeltschlafanzug, im Licht der Taschenlampe angezogen habe, schlüpfe ich unter die Bettdecke und schlafe – nach einer letzten Runde im Karussell – sofort ein.
Unter anderen Umstanden hätte der Massai das Zelt verschlossen und ich hätte von innen überprüft ob auch wirklich alle Zeltöffnungen, vor allem der Eingang zum Zelt, richtig verschlossen sind und nicht nur das dünne Moskitonetz zugezogen ist – nicht so in dieser Nacht.
Gegen 3:oo Uhr morgens weckt mich lautes Schmatzen und das Scharren von Hufen, mein Blick geht dummerweise geradewegs und ohne Umwege zum Zelteingang und ich starre direkt in die Augen sowie auf die riesigen Hörner, eines ausgewachsenen und vor sich hinsabbernden Büffels. Mir bleibt fast das Herz stehen vor Schreck und in der Annahme, dass das Gras, welches ich geraucht habe, vielleicht doch nicht das beste war, schließe ich meine Augen wieder und murmle mir beruhigend zu: „Gabi, das passiert nicht in Wirklichkeit, du hast nur Halluzinationen, das liegt bestimmt am Marihuana und der Kombination mit dem Rotwein.“
Nachdem ich von meinen eigenen Worten überzeugt bin, öffne ich erneut meine Augen um mich zu vergewissern, das ich Recht habe: Weit gefehlt! Der riesige Büffel steht immer noch genau dort, wo er zuvor war. Ich zwicke mich in den einen Arm und anschließend in den anderen aber der Büffel verschwindet nicht, starrt mich nur weiter wie hypnotisiert an, in meinem weißen Bett (ich will gar nicht darüber nachdenken, was der Büffel für Gedanken hatte: immerhin sieht der wahrscheinlich auch nicht jeden Tag eine weiße Frau in einem weißen Pyama unter einer weißen Bettwäsche – mitten im afrikanischen Bush – zu allem Überfluss, völlig ungeschminkt und am Rande des Wahnsinns – der Arme hatte es auch nicht leicht 😝).
Als wäre dieser Umstand nicht schon besorgniserregend genug, (immerhin sind Büffel die gefährlichsten Tiere in ganz Afrika, sie töten mehr Menschen als Löwen, Hyänen und Leoparden zusammen) schlägt etwas an die Zeltwand direkt hinter meinem Kopf (es versteht sich von selbst, dass mein Gesicht mittlerweile genauso weiß ist wie mein Schlafanzug und die Bettdecke) gefolgt von einem weiteren Schmatzen und dem Wackeln der Zeltwand: Ein weiterer Büffel! Also mindestens – Büffel sind bekanntlich immer in Herden unterwegs.



Als ich nun das volle Ausmaß meiner Situation umrissen habe – an sämtlichen anderen Wänden des Zeltes sind weitere schmatzende Mäuler, scharrende Hufe und gegen die Zeltwand schlagende Schweife, zu vernehmen – entscheide ich mich: AUF KEINEN FALL MEHR ZU ATMEN! Mir wird klar: Ich befinde mich inmitten einer Büffelherde und bin Mutterseelenallein in meinem Zelt. Nur die höchstens 0,5 Zentimeter dicke Zeltwand trennt mich von unzähligen und tonnenschweren Büffeln, wenn die jetzt alle in Panik geraten (der riesige Bulle am Zelteingang starrt mich immer noch an und kaut und schmatzt unbeirrt weiter) dann bleibt von mir – sehr wahrscheinlich – nicht mehr viel übrig.
Am meisten hat mich in dieser Nacht – rückblickend und neben den Büffeln – die Leistung meines Gehirns beeindruckt: trotz größter Lebensgefahr hat es fehlerfrei funktioniert. Ich hatte, weil ich alleine im Zelt war, neben meinem Bett einen Emergency – Knopf ( vielleicht hätte ich vorher mal fragen sollen, wofür der überhaupt notwendig sein könnte), doch statt diesen einfach gedankenlos zu drücken oder laut zu schreien ( beides kam mir kurzzeitig in den Sinn 🙈) verhielt ich mich still und zappelte noch nicht mal mit meinem kleinen Zeh (obwohl mir wirklich nach weglaufen, so schnell meine Füße mich tragen, zumute war). Das Problem mit dem Notfallknopf wäre nämlich eine laute Sirene gewesen, welche die Tiere sehr wahrscheinlich erschrocken und in Panik versetzt hätte und dann wäre das Zelt samt Gabi, platt gewalzt und dem Erdboden gleich, gewesen.
Die Nacht ist noch nicht vorbei
Doch die Nacht ist noch lange nicht vorbei! Über Stunden hinweg grasen die Büffel um mein Zelt herum und stoßen immer und immer wieder gegen die Zeltstangen, erschütterten mit ihren schlagenden Schwänzen die Zeltwände und geben ihr tiefes typisches Brummen von sich – wahrscheinlich unterhalten sie sich gerade darüber, wie frisch und saftig das Gras um mein Zelt herum schmeckt, vor allem die kleinen Pflänzchen direkt am Zelteingang – mir ist das Recht, Hauptsache SIE sind zufrieden 🙈
Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, als es endlich aufhört und kurzzeitig Ruhe einkehrt (Ich kann nicht auf die Uhr sehen, denn dazu müsste ich mich bewegen und das ist völlig ausgeschlossen 🙈). Was ich aber weiß: Mit der Ruhe kommen die lachenden und schnüffelnden Hyänen. Ich traue mich in der kurzen Zeit dazwischen aber nicht, aufzustehen und den Zelteingang richtig zu verschließen, stattdessen liege ich noch immer – völlig bewegungsunfähig und starr vor Angst – in meinem Bett (ohne zu atmen 😉) und lausche auf jedes noch so kleine Geräusch, bis zu dem Zeitpunkt als sie mich durch das Moskitonetz hinweg strahlend anlacht – die Hyäne – und ich ihre sämtlichen Zähne – dreißig an der Zahl – trotz der Dunkelheit einwandfrei erkennen kann.
In diesem Moment drehen sich meine Augen – ohne dass ich diese Bewegung bewusst steuere oder autorisiere – in Richtung Himmel und flehen inständig um Gnade ( ich habe mein bisheriges Leben in dieser Nacht mehrfach durchlebt und dabei Gott sei Dank nichts allzu verwerfliches festgestellt 😉)
Aber Gnade ist heute nicht im Angebot. Gnade ist heute restlos ausverkauft. Die Hyänen schnüffeln an meinem Zelt entlang und kommen immer wieder zurück zum Eingang und dem Moskitonetz und betrachten mich neugierig. Dieses Schnüffeln und dieses Lachen empfinde ich in dieser Nacht einfach nur als unheimlich und zutiefst beängstigend.
Zu meinem Glück weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch (!) nicht, dass Hyänen völlig mühelos die Moskitonetze mit ihren messerscharfen Zähnen aufreißen können und dies in der Vergangenheit wohl auch schon häufiger getan haben.
Diese Tatsache erfahre ich erst am nächsten Morgen beim Frühstück, von den Guides und auch dass dafür der Emergency – Knopf gedacht war. Warum in dieser Nacht keiner der Massai unterwegs war um auf uns aufzupassen, wurde mir bis heute nicht erklärt, ich denke die Jungs sind wahrscheinlich einfach nur irgendwann eingeschlafen und haben mich und die Tatsache, dass ich alleine war in meinem Zelt, völlig vergessen.
Inzwischen gehören Büffel und Hyänen – neben Löwen, Elefanten und Giraffen – zu meinen absoluten Lieblingstieren – frag mich nicht warum – denn ich habe auf anderen Reisen durch Tansania noch einige weitere durchaus spannende Erlebnisse – vor allem mit Büffeln – gehabt. Es liegt wahrscheinlich an dieser einen und über alle Maßen aufregenden Nacht, die bisher nichts und niemand toppen konnte 😉
Fest steht, dass ich diese Nacht – solange ich lebe – niemals mehr wieder vergessen werde und rückblickend ist es DIE NACHT, die mir am prägnantesten – von all meinen Erlebnissen und Abenteuern – in Erinnerung geblieben ist und dafür bin ich unendlich dankbar, vor allem auch deshalb weil ich nicht zertrampelt und von großen Hörnern aufgespießt oder von den kräftigsten Kiefern und Zähnen im gesamten Tierreich zermahlen worden war. ♥️
Ich hoffe Du hast mindestens eine ebenso aufregende Nacht erlebt – in Deinem bisherigen Leben – wenn auch die Aufregung wahrscheinlich aus völlig anderen Gründen entstand und hoffentlich mehr von der Sorte „angenehm aufregend“ war. 😉 Falls nicht, so sei es Dir hiermit von Herzen gewünscht.
Lebenslustige Grüße
Gabi ♥️